Die heilige Mutter des Volkes Argentinien
Erfolgsmusical EVITA im Schlosstheater Neuwied
-bad- Neuwied. Mit dem Tod Eva Peróns startet das Musical EVITA von Andrew Lloyd Webber, das die Landesbühne Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit der Theatergruppe »Chamäleon« im Neuwieder Schlosstheater auf die Bühne bringt. Regisseur Benjamin Baumann realisiert mit überzeugenden Solisten und einem Ensemble, das keinen Funken von Amateurtheater versprüht, eine Mammutproduktion auf die Neuwied stolz sein darf. Die Ensemble-Leitung hat Oliver Grabus übernommen, der zugleich in die Rolle des Magaldi schlüpft und sich somit in den Reigen der brillierenden Solisten einreiht.
EVITA ist kein Musical, das eine nette Love-Story erzählt. Wenn es auch nicht ganz authentisch die Biografie Eva Peróns wiederspielgelt, so vollzieht es doch deren märchengleichen Aufstieg von der Näherinnentochter aus der Provinz zur First Lady und Heldin der Argentinier sowie auch deren Abstieg, Krankheit und frühen Tod nach und zeigt all diese Etappen als politische Ereignisse. Für die Titelpartie konnte Simone Kerchner gewonnen werden, die eine willensstarke, zielsichere und emanzipierte Eva verkörpert. Mit ihrer fesselnden Stimme macht sie die Musik vom Band schnell vergessen und für den richtigen Klang im Ensemble sorgte Chorleiter Thoma Schmidt.
Das Bühnenbild von Benjamin Baumann ist schlicht, wird aber durch viele Requisiten mit Leben gefüllt. Das Spiel auf zwei Ebenen unterstreicht zudem die dynamisch angelegte Produktion des Musicals. Schnelle Szenenwechsel und die Macht des großen Ensembles geben Langeweile keine Chance. Mit Bewegung wird auf der Bühne zudem auch nicht gespart, denn Claudia Lichtwardt-Seeliger hat mit abwechslungsreichen Choreografien das Ensemble in Szene gesetzt. Selbstverständlich durfte ein emotionsgeladener Argentinischer Tango nicht fehlen.
Baumann will die Charaktere in den Vordergrund stellen und das Dreieck zwischen dem Oberst und späteren Staatschef Juan Perón (Holger Hauer), der charismatischen Karrieristin Evita (Simone Kerchner) sowie Che (Sascha Krebs) rückt immer in den Mittelpunkt der Erzählung. Che ist dabei halb Nebenbuhler, halb Kritiker, der das Spiel zwischen Romanze und Politik, Machtgier und Wohltätigkeit, Medienshow und Privatleben wohlwollend bis zynisch kommentiert. Der junge Che Guevara, selbst längst ein Mythos, gibt in dieser Musical-Biografie so etwas wie den Moderator und Erzähler. Er tritt in bekannter Guerilla-Kluft als scharfer Kritiker Evas auf, der sich ihrer verführerischen Aura aber nicht völlig entziehen kann. Sascha Krebs singt und spielt die Partie mit Bravour.Eva ist keine Person, mit der man wegen ihrer komplizierten Persönlichkeit so leicht sympathisiert. Daher zeigt das Musical auch ihre weniger rühmlichen Facetten. Wie sie als blutjunges Model, dann als Radiomoderatorin und schließlich als Filmschauspielerin mit glühenden Augen und unter vollem Körpereinsatz Affäre um Affäre die Erfolgsleiter hinauf kokettiert. Oder wie sie öffentlichkeitswirksam als »Santa Evita” Gaben an die Armen verteilt. Politisches Kalkül und die Sucht nach Macht und Geld waren Beweggründe, die in Argentinien gerne ausgeblendet werden, in Neuwied aber eine berichtigte Berücksichtigung finden. Im Gegensatz dazu steht der Welthit »Wein’ nicht um mich Argentinien«, der mit Simone Kerchner im strahlend weißen Unschuldskleid zum Höhepunkt wird. Die Regie liebt große Gesten und so wird bei den Massenversammlungen des Volkes auch nicht mit Pathos gegeizt. Im Dreivierteltakt macht sich die Krankheit bei Eva Perón breit und mit dem unvermeidbaren Tod schließt sich der Kreis zum Anfang des Musicals. Es ist ein ungewöhnlich leiser Schluss, dennoch ein nicht minder effektvoller. Kurze Atempause, bevor tosender Applaus für das Ensemble einsetzt.
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