Chamäleon-Virus hat schon 80 Leute angesteckt

Neuwied – Der Name ist Programm: Wie das gleichnamige Tier sind die Chamäleons aus Neuwied so richtig wandlungsfähig. Sie passen sich immer neuen Gegebenheiten an und haben mittlerweile eine Größe erreicht, die beachtlich ist. Chamäleon – das ist eine hoch motivierte Theatergruppe aus Neuwied, die so ganz anders ist als die vielen Laienspielgruppen, die zufrieden sind, wenn sie einmal im Jahr ein neues Stück auf die Bühne bringen. Vom kleinen Volkshochschulkurs hat sich der Theaterverein zu einem ernst zu nehmenden Kulturbetrieb entwickelt.

Wenn Oliver Grabus, der Kopf von Chamäleon, an die Anfänge zurückdenkt, muss er ein wenig schmunzeln. Dabei liegt das so schrecklich lange noch nicht zurück: Es war 2007, als bei der Neuwieder Volkshochschule ein Theaterkurs stattfand, den Oliver Grabus von Gerd Finkemeier erbte. Fünf Teilnehmer waren dabei und studierten “Jagdszenen” ein. Zweimal führte die Gruppe das Stück auf – und schon war das Chamäleon-Virus in der Luft, das im Handumdrehen immer mehr Menschen befiel. Schnell war klar: “Jagdszenen” waren nur der Anfang. An “Romeo und Julia” wagten sich die Laienschauspieler als nächstes. Den William-Shakespeare-Klassiker präsentierte die Gruppe in modernem Gewand. Und ein letztes Mal in Form eines Volkshochschulkurses. Der Theaterverein “Chamäleon – alles nur Theater” wurde aus der Taufe gehoben, und seitdem hat der Betrieb richtig Fahrt aufgenommen.

Mit Oliver Grabus hat der Verein nicht nur einen engagierten Vorsitzenden, sondern auch einen “echten” Schauspieler an der Spitze, der sein Handwerk gelernt hat und für Professionalität steht. Seine Mitglieder wissen um die Disziplin, die er verlangt, und schätzen seine Gabe, mit Menschen umzugehen. “Bei der ersten Probe muss man seinen Text können. Sonst fangen wir gar nicht erst an”, erklärt Oliver Grabus, der auch Wert auf Pünktlichkeit legt. “Ich bin manchmal wie der Drill Instructor.”

Natürlich weiß der Chef, dass alle eigentlich noch ein “anderes Leben” haben: Sie sind Bankkauffrau, Lehrer, Arzt und Hausfrau, doch abends bei Proben legen sie diese Rollen ab und nehmen eine andere Identität an. Dann sind sie wieder Chamäleons und mal im Mittelalter unterwegs, in den 50er-Jahren oder auch in der Neuzeit.

Von den rund 80 Mitgliedern wollen aber nicht alle auf die Bühne, wie Kirsten Sabatino vom Vorstand berichtet. Das ist auch gut so, denn hinter den Kulissen werden viele dienstbare Geister gebraucht. Die Größe des Vereins und die Vielzahl der Produktionen verlangt auch hier Disziplin. Pro Tag landen 20 bis 30 E-Mails in den elektronischen Postfächern der Vorstandsmitglieder. Vizevorsitzender Dominik Bruchof betont: “Wir achten aufeinander und passen auf, dass es für Einzelne nicht zu viel wird.”

Nach den erfolgreichen Aufführungen von “Seelengift” arbeiten die Chamäleons derzeit an drei weiteren Produktionen: Die Komödie “Kunst” hat am 29. September Premiere, “Der Streit” ist vom 16. bis 18. November in der Werkstatt im Schlosstheater zu sehen, und im Mai geht “Evita” im Schlosstheater über die Bühne. Zu dieser aufwendigen Musicalproduktion laufen die Proben seit fünf Wochen. Für den Theaterverein ist Evita eine große Herausforderung: 30 Chamäleons sind dabei aktiv; sie werden 20 Aufführungen zu bewältigen haben – eine neue Dimension für den Verein, der das Musical gemeinsam mit der Landesbühne Rheinland-Pfalz präsentiert. “Ein so großes Ensemble hatten wir noch nie”, sagt Oliver Grabus, der erstmals auch selbst eine Rolle bei Chamäleon übernimmt.

Wird der Verein weiter wachsen? “Das geht nicht bis ins Unendliche”, erklärt der Vorsitzende. Vor allem nicht ohne eigene Spielstätte. Davon träumt er: “Unser Ziel wäre ein kleines Theater.” Ideen gibt es bereits – doch auch die Finanzen müssen stimmen. Wer die Chamäleons kennt, weiß: Auch das bekommen sie hin.

Redakteur Marcelo Peerenboom (Quelle: http://www.rhein-zeitung.de/region/neuwied_artikel,-Neuwieder-Chamaeleon-Virus-hat-schon-80-Leute-angesteckt-_arid,485707.html)

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